MAYRHOFER, Johann
Sehnsucht
Der Lerche wolkennahe Lieder
Erschmettern zu des Winters Flucht,
Die Erde hüllt in Samt die Glieder
Und Blüten bilden rote Frucht.
Nur du, o sturmbewegte Seele,
Nur du bist blütenlos, in dich gekehrt,
Und wirst in goldner Frühlingshelle
Von tiefer Sehnsucht aufgezehrt.
Nie wird, was du verlangst, entkeimen
Dem Boden, Idealen fremd,
Der trotzig deinen schönsten Träumen
Die rohe Kraft entgegenstemmt.
Du ringst dich matt mit seiner Härte,
Vom Wunsche heftiger entbrannt,
Mit Kranichen ein strebender Gefährte,
Zu wandern in ein milder Land.
Fahrt zum Hades
Der Nachen dröhnt, Cypressen flüstern,
Horch, Geister reden schaurig drein;
Bald werd' ich am Gestad', dem düstern,
Weit von der schöne Erde sein.
Da leuchten Sonne nicht, noch Sterne,
Da tönt kein Lied, das ist kein Freund.
Empfang die letzte Träne, o Ferne,
Die dieses müde Auge weint.
Schon schau' ich die blassen Danaiden,
Den fluchbeladnen Tantalus;
Es murmelt todesschwangern Frieden,
Vergessenheit, dein alter Fluß.
Vergessen nenn' ich zwiefach Sterben,
Was ich mit höchster Kraft gewann,
Verlieren, wieder es erwerben -
Wann enden diese Qualen? Wann?
Abendstern
Was weilst du einsam an dem Himmel,
O schöner Stern? und bist so mild;
Warum entfernt das funkelnde Gewimmel
Der Brüder sich von deinem Bild?
"Ich bin der Liebe treuer Stern,
Sie halten sich von Liebe fern."
So solltest du zu ihnen gehen,
Bist du der Liebe, zaud're nicht!
Wer möchte denn dir widerstehen?
Du süßes eigensinnig Licht.
"Ich säe, schaue keinen Keim,
Und bleibe trauernd still daheim."