BRINKMANN, Rolf Dieter
    
      
    
      
    
      
    Eingedenk der Märchenzeit
  
    
      
    Eingedenk der Märchenzeit
  
mit Tauben – wir bauten
uns Nester aus Schnee tief unterm
Schlaf: von blauen Beeren
    
      
    aßen wir und waren
  
wie leichte, schnelle Flügel der Luft
zwischen den Wolken. Mit einem
Fliederhimmel, der
    
      
    unsere Augen erblinden
  
ließ, und schauten dem Schweigen
der Hände die langsame Sprache
ab: wir nannten
    
      
    uns Namen wie
  
Gestern und Heut
und hatten wohl Kleider aus
Blättern und Licht
    
      
    und schlürften im Flug
  
die Körner der Stille
aus den silbernen
    Kehlen des Morgens.
    
      
    
      
    
      
    Gedicht
  
    
      
    Zerstörte Landschaft mit
  
Konservendosen, die Hauseingänge
leer, was ist darin? Hier kam ich
    
      
    mit dem Zug nachmittags an,
  
zwei Töpfe an der Reisetasche
festgebunden. Jetzt bin ich aus
    
      
    den Träumen raus, die über eine
  
Kreuzung wehn. Und Staub,
zerstückelte Pavane, aus totem
    
      
    Neon, Zeitungen und Schienen
  
dieser Tag, was krieg ich jetzt,
einen Tag älter, tiefer und tot?
    
      
    Wer hat gesagt, daß sowas Leben
  
ist? Ich gehe in ein
anderes Blau.
    
      
    
      
    Trauer auf dem Wäschedraht im Januar
  
    
      
    Ein Stück Draht, krumm
  
ausgespannt, zwischen zwei
kahlen Bäumen, die
    
      
    bald wieder Blätter
  
treiben, früh am Morgen
hängt daran eine
    
      
    frisch gewaschene
  
schwarze Strumpfhose
aus den verwickelten
    
      
    langen Beinen tropft
  
das Wasser in dem hellen
frühen Licht auf die Steine.