GERHARDT, Paul



Geh aus mein Herz und suche Freud


Geh aus, mein Herz, und suche Freud

in dieser lieben Sommerzeit

an deines Gottes Gaben;

Schau an der schönen Gärten Zier,

und siehe, wie sie mir und dir

sich ausgeschmücket haben.


Die Bäume stehen voller Laub,

das Erdreich decket seinen Staub

mit einem grünen Kleide;

Narzissus und die Tulipan,

die ziehen sich viel schöner an

als Salomonis Seide.


Die Lerche schwingt sich in die Luft,

das Täublein fliegt aus seiner Kluft

und macht sich in die Wälder;

die hochbegabte Nachtigall

ergötzt und füllt mit ihrem Schall

Berg, Hügel, Tal und Felder.


Die Glucke führt ihr Völklein aus,

der Storch baut und bewohnt sein Haus,

das Schwälblein speist die Jungen,

der schnelle Hirsch, das leichte Reh

ist froh und kommt aus seiner Höh

ins tiefe Gras gesprungen.


Die Bächlein rauschen in dem Sand

und malen sich an ihrem Rand

mit schattenreichen Myrten;

die Wiesen liegen hart dabei

und klingen ganz vom Lustgeschrei

der Schaf und ihrer Hirten.


Die unverdroßne Bienenschar

fliegt hin und her, sucht hier und da

ihr edle Honigspeise;

des süßen Weinstocks starker Saft

bringt täglich neue Stärk und Kraft

in seinem schwachen Reise.


Der Weizen wächset mit Gewalt;

darüber jauchzet jung und alt

und rühmt die große Güte

des, der so überfließend labt,

und mit so manchem Gut begabt

das menschliche Gemüte.


Ich selber kann und mag nicht ruhn,

des großen Gottes großes Tun

erweckt mir alle Sinnen;

ich singe mit, wenn alles singt,

und lasse, was dem Höchsten klingt,

aus meinem Herzen rinnen.


Ach, denk ich, bist du hier so schön

und läßt du’s uns so lieblich gehn

auf dieser armen Erden;

was will doch wohl nach dieser Welt

dort in dem reichen Himmelszelt

und güldnen Schlosse werden!


Welch hohe Lust, welch heller Schein

wird wohl in Christi Garten sein!

Wie muß es da wohl klingen,

da so viel tausend Seraphim

mit unverdroßnem Mund und Stimm

ihr Halleluja singen?


O wär ich da! O stünd ich schon,

ach süßer Gott, vor deinem Thron

und trüge meine Palmen:

So wollt ich nach der Engel Weis

erhöhen deines Namens Preis

mit tausend schönen Psalmen.


Doch gleichwohl will ich, weil ich noch

hier trage dieses Leibes Joch,

auch nicht gar stille schweigen;

mein Herze soll sich fort und fort

an diesem und an allem Ort

zu deinem Lobe neigen.


Hilf mir und segne meinen Geist

mit Segen, der vom Himmel fleußt,

daß ich dir stetig blühe;

gib, daß der Sommer deiner Gnad

in meiner Seele früh und spat

viel Glaubensfrüchte ziehe.


Mach in mir deinem Geiste Raum,

daß ich dir werd ein guter Baum,

und laß mich Wurzel treiben.

Verleihe, daß zu deinem Ruhm

ich deines Gartens schöne Blum

und Pflanze möge bleiben.


Erwähle mich zum Paradeis

und laß mich bis zur letzten Reis

an Leib und Seele grünen,

so will ich dir und deiner Ehr

allein und sonsten keinem mehr

hier und dort ewig dienen.


Abendlied

Nun ruhen alle Wälder,

Vieh, Menschen, Städt und Felder,

es schläft die ganze Welt;

ihr aber, meine Sinnen,

auf, auf, ihr sollt beginnen,

was eurem Schöpfer wohlgefällt.


Wo bist du, Sonne, blieben?

Die Nacht hat dich vertrieben,

die Nacht, des Tages Feind.

Fahr hin; ein andre Sonne,

mein Jesus, meine Wonne,

gar hell in meinem Herzen scheint.


Der Tag ist nun vergangen,

die güldnen Sternlein prangen

am blauen Himmelssaal;

also werd ich auch stehen,

wenn mich wird heißen gehen

mein Gott aus diesem Jammertal.


Der Leib eilt nun zur Ruhe,

legt ab das Kleid und Schuhe,

das Bild der Sterblichkeit;

die zieh ich aus, dagegen

wird Christus mir anlegen

den Rock der Ehr und Herrlichkeit.


Das Haupt, die Füß und Hände

sind froh, dass nun zum Ende

die Arbeit kommen sei.

Herz, freu dich, du sollst werden

vom Elend dieser Erden

und von der Sünden Arbeit frei.


Nun geht, ihr matten Glieder,

geht hin und legt euch nieder,

der Betten ihr begehrt.

Es kommen Stund und Zeiten,

da man euch wird bereiten

zur Ruh ein Bettlein in der Erd.


Mein Augen stehn verdrossen,

im Nu sind sie geschlossen.

Wo bleibt dann Leib und Seel?

Nimm sie zu deinen Gnaden,

sei gut für allen Schaden,

du Aug und Wächter Israel’.


Breit aus die Flügel beide,

o Jesu, meine Freude,

und nimm dein Küchlein ein.

Will Satan mich verschlingen,

so lass die Englein singen:

„Dies Kind soll unverletzet sein.“


Auch euch, ihr meine Lieben,

soll heute nicht betrüben

kein Unfall noch Gefahr.

Gott lass euch selig schlafen,

stell euch die güldnen Waffen

ums Bett und seiner Engel Schar.





VAN LEUVEN, Arnulf

Salve, caput cruentatum

Salve, caput cruentatum,

Totum spinis coronatum,

Conquassatum, vulneratum,

Arundine sic verberatum

Facie sputis illita,

Salve, cuius dulcis vultus,

Immutatus et incultus

Immutavit suum florem

Totus versus in pallorem

Quem coeli tremit curia.

Omnis vigor atque viror

Hinc recessit, non admiror,

Mors apparet in aspectu,

Totus pendens in defectu,

Attritus aegra macie.

Sic affectus, sic despectus

Propter me sic interfectus,

Peccatori tam indigno

Cum amoris intersigno

Appare clara facie.

In hac tua passione

Me agnosce, pastor bone,

Cuius sumpsi mel ex ore,

Haustum lactis ex dulcore

Prae omnibus deliciis,

Non me reum asperneris,

Nec indignum dedigneris

Morte tibi iam vicina

Tuum caput hic acclina,

In meis pausa brachiis.

Tuae sanctae passioni

Me gauderem interponi,

In hac cruce tecum mori

Praesta crucis amatori,

Sub cruce tua moriar.

Morti tuae iam amarae

Grates ago, Jesu care,

Qui es clemens, pie Deus,

Fac quod petit tuns reus,

Ut absque te non finiar.

Dum me mori est necesse,

Noli mihi tunc deesse;

In tremenda mortis hora

Veni, Jesu, absque mora,

Tuere me et libera.

Cum me jubes emigrare,

Jesu care, tunc appare;

O amator amplectende,

Temet ipsum tunc ostende

In cruce salutifera.


GERHARDT, Paul


O Haupt voll blut und Wunden

O Haupt voll Blut und Wunden,
voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden
mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gezieret
mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber hoch schimpfieret:
gegrüßet seist du mir!

Du edles Angesichte,
davor sonst schrickt und scheut
das große Weltgewichte:
wie bist du so bespeit,
wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
dem sonst kein Licht nicht gleichet,
so schändlich zugericht’?

Die Farbe deiner Wangen,
der roten Lippen Pracht
ist hin und ganz vergangen;
des blassen Todes Macht
hat alles hingenommen,
hat alles hingerafft,
und daher bist du kommen
von deines Leibes Kraft.

Nun, was du, Herr, erduldet,
ist alles meine Last;
ich hab es selbst verschuldet,
was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich Armer,
der Zorn verdienet hat.
Gib mir, o mein Erbarmer,
den Anblick deiner Gnad.

Erkenne mich, mein Hüter,
mein Hirte, nimm mich an.
Von dir, Quell aller Güter,
ist mir viel Guts getan;
dein Mund hat mich gelabet
mit Milch und süßer Kost,
dein Geist hat mich begabet
mit mancher Himmelslust.

Ich will hier bei dir stehen,
verachte mich doch nicht;
von dir will ich nicht gehen,
wenn dir dein Herze bricht;
wenn dein Haupt wird erblassen
im letzten Todesstoß,
alsdann will ich dich fassen
in meinen Arm und Schoß.


Es dient zu meinen Freuden
und tut mir herzlich wohl,
wenn ich in deinem Leiden,
mein Heil, mich finden soll.
Ach möcht ich, o mein Leben,
an deinem Kreuze hier
mein Leben von mir geben,
wie wohl geschähe mir!

Ich danke dir von Herzen,
o Jesu, liebster Freund,
für deines Todes Schmerzen,
da du’s so gut gemeint.
Ach gib, dass ich mich halte
zu dir und deiner Treu
und, wenn ich nun [] erkalte,
in dir mein Ende sei.

Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir,
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt du dann herfür;
wenn mir am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
kraft deiner Angst und Pein.

Erscheine mir zum Schilde,
zum Trost in meinem Tod,
und lass mich sehn dein Bilde
in deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach dir blicken,
da will ich glaubensvoll
dich fest an mein Herz drücken.
Wer so stirbt, der stirbt wohl.




Befiehl du deine Wege


Befiehl du deine Wege

und was dein Herze kränkt

der allertreusten Pflege

des, der den Himmel lenkt.

Der Wolken, Luft und Winden

gibt Wege, Lauf und Bahn

der wird auch Wege finden,

da dein Fuß gehen kann.


Dem Herren musst du trauen,

wenn dir's soll wohlergehn;

auf sein Werk musst du schauen,

wenn dein Werk soll bestehn.

Mit Sorgen und mit Grämen

und mit selbsteigner Pein

lässt Gott sich gar nichts nehmen:

es muss erbeten sein.


Dein ewge Treu und Gnade,

o Vater, weiß und sieht,

was gut sei oder schade

dem sterblichen Geblüt;

und was du dann erlesen,

das treibst du, starker Held,

und bringst zum Stand und Wesen,

was deinem Rat gefällt.


Weg hast du allerwegen,

an Mitteln fehlt dir's nicht;

dein Tun ist lauter Segen,

dein Gang ist lauter Licht.

Dein Werk kann niemand hindern,

dein Arbeit darf nicht ruhn,

wenn du, was deinen Kindern

ersprießlich ist, willst tun.


Und ob gleich alle Teufel

hier wollten widerstehn,

so wird doch ohne Zweifel

Gott nicht zurücke gehen;

was er sich vorgenommen

und was er haben will,

das muss doch endlich kommen

zu seinem Zweck und Ziel.


Hoff, o du arme Seele,

hoff und sei unverzagt!

Gott wird dich aus der Höhle,

da dich der Kummer plagt,

mit großen Gnaden rücken;

erwarte nur die Zeit,

so wirst du schon erblicken

die Sonn der schönsten Freud.


Auf, auf, gib deinem Schmerze

und Sorgen Gute Nacht!

Lass fahren, was das Herze

betrübt und traurig macht;

bist du doch nicht Regente,

der alles führen soll:

Gott sitzt im Regimente

und führet alles wohl.


Ihn, ihn lass tun und walten!

Er ist ein weiser Fürst

und wird sich so verhalten,

dass du dich wundern wirst,

wenn er, wie ihm gebühret,

mit wunderbarem Rat

das Werk hinausgeführet,

das dich bekümmert hat.


Er wird zwar eine Weile

mit seinem Trost verziehn

und tun an seinem Teile,

als hätt in seinem Sinn

er deiner sich begeben

und solltst du für und für

in Angst und Nöten schweben,

als frag er nicht nach dir.


Wirds aber sich befinden,

dass du ihm treu verbleibst,

so wird er dich entbinden,

da du's am mindsten gläubst;

er wird dein Herze lösen

von der so schweren Last,

die du zu keinem Bösen

bisher getragen hast.


Wohl dir, du Kind der Treue!

Du hast und trägst davon

mit Ruhm und Dankgeschreie

den Sieg und Ehrenkron;

Gott gibt dir selbst die Palmen

in deine rechte Hand,

und du singst Freudenpsalmen

dem, der dein Leid gewandt.


Mach End, o Herr, mach Ende

mit aller unsrer Not;

stärk unsre Füß und Hände

und lass bis in den Tod

uns allzeit deiner Pflege

und Treu empfohlen sein,

so gehen unsre Wege

gewiss zum Himmel ein.