KIRSCH, Sarah
    
      
    
      
    Die Luft riecht schon nach Schnee
  
    
      
    Die Luft riecht schon nach Schnee, mein Geliebter
  
Trägt langes Haar, ach der Winter, der Winter der uns
Eng zusammenwirft steht vor der Tür, kommt
Mit dem Windhundgespann. Eisblumen
Streut er ans Fenster, die Kohlen glühen im Herd, und
Du Schönster Schneeweißer legst mir deinen Kopf in den Schoß
Ich sage das ist
Der Schlitten der nicht mehr hält, Schnee fällt uns
Mitten ins Herz, er glüht
    Auf den Aschekübeln im Hof Darling flüstert die Amsel
    
      
    
      
    
      
    Dann werden wir kein Feuer brauchen
  
    
      
    Dann werden wir kein Feuer brauchen
  
es wird die Erde voll Wärme sein
Der Wald muß dampfen, die Meere
Springen, Wolken die milchigen Tiere
Drängen sich: ein mächtiger Wolkenbaum
    
      
    Die Sonne ist blaß in all dem Glänzen
  
Greifbar die Luft ich halte sie fest
Ein hochtönender Wind
Treibts in die Augen da weine ich nicht
    
      
    Wir gehn bloßen Leibs
  
durch Wohnungen türenlos schattenlos
Sind wir allein weil keiner uns folgt niemand
Das Lager versagt: stumm
Sind die Hunde sie wehren nicht
Den Schritt mir zur Seite: ihre Zungen
Aufgebläht ohne Ton sind taub
    
      
    Nur Himmel umgibt uns und schaumiger Regen Kälte
  
Wird nie mehr sein, die Steine
Die ledernen Blumen unsere Körper wie Seide dazwischen
Strahln Wärme aus, Helligkeit
Ist in uns wir sind silbernen Leibs
    
      
    Morgen wirst du im Paradies mit mir sein
    
      
    
      
    
      
    Die Nacht streckt ihre Finger aus
  
    
      
    Die Nacht streckt ihre Finger aus
  
Sie findet mich in meinem Haus
Sie setzt sich unter meinen Tisch
Sie kriecht wird groß sie windet sich
    
      
    Und der Rauch schwimmt durch den Raum
  
Wächst zu einem schönen Baum
Den ich leicht zerstören kann –
Ich rauche einen neuen, dann
    
      
    Zähl ich alle meinen lieben
  
Freunde an den Fingern ab
Es sind zu viele Finger, die ich hab
Zu wenig Freunde sind geblieben
    
      
    Streckt die Nacht die Finger aus
  
Findet sie mich in meinem Haus
Rauch schwimmt durch den leeren Raum
Wächst zu einem Baum
    
      
    Der war vollbelaubt mit Worten
  
Worten, die alsbald verdorrten
Schiffchen schwimmen durch die Zweige
    
      
    Die ich heut nicht mehr besteige
    
      
    
      
    
      
    Im Sommer
  
    
      
    Dünnbesiedelt das Land.
  
Trotz riesigen Feldern und Maschinen
liegen die Dörfer schläfrig
In Buchsbaumgärten; die Katzen
Trifft selten ein Steinwurf.
    
      
    Im August fallen Sterne.
  
Im September bläst man die Jagd an.
Noch fliegt die Graugans, spaziert der Storch
Durch unvergiftete Wiesen. Ach, die Wolken
Wie Berge fliegen sie über die Wälder.
    
      
    Wenn man hier keine Zeitung hält
  
Ist die Welt in Ordnung.
In Pflaumenmuskesseln
Spiegelt sich schön das eigne Gesicht und
    Feuerrot leuchten die Felder.
    
      
    
      
    
      
    Breughel-Bild
  
    
      
    Der Himmel schneit sich nackt und grün
  
Schon häuft sichs besetzt die Erde auf Landsknechtart
Fallen Krähen ein belauben den Baum
Schrein spähn sammeln sich fliegen weiter
    
      
    Werden grauer im Schnee sind klein fast weiß
  
Kältevögel wohin geht eure Straße was zieht euch
Ein dampfender Maissilo ein Schlachthaus ein Rapsfeld das Schlachtfeld
Womit wollt ihr euch mästen wie denkt ihr
Ohne Verluste übern Winter zu kommen wartet
Nicht diesen Winter ist es umsonst fliegt
    Über die schwarzborstigen Berge: hier fällt nichts ab
    
      
    
      
    
      
    Keiner hat mich verlassen
  
    
      
    Keiner hat mich verlassen
  
Keiner ein Haus mir gezeigt
Keiner einen Stein aufgehoben
Erschlagen wollte mich keine
Alle reden mir zu.
    
      
    
      
    Der Rest des Fadens 
  
    
      
    Drachensteigen. Spiel 
  
Für grosse Ebenen ohne Baum und Wasser.
Im offenen Himmel
Steigt auf
Der Stern aus Papier, unhaltbar
Ins Licht gerissen, höher, aus allen Augen
Und weiter, weiter
Uns gehört der Rest des Fadens,
und dass wir dich kannten
    
      
    
      
    Landaufenthalt
  
    
      
    Morgens füttere ich den Schwan abends die Katzen dazwischen
  
Gehe ich über das Gras passiere die verkommenen Obstplantagen
Hier wachsen Birnbäume in rostigen Öfen, Pfirsichbäume
Fallen ins Kraut, die Zäune haben sich lange ergeben, Eisen und Holz
Alles verfault und der Wald umarmt den Garten in einer Fliederhecke
    
      
    Da stehe ich dicht vor den Büschen mit nassen Füßen
  
Es hat lange geregnet, und sehe die tintenblauen Dolden, der Himmel
Ist scheckig wie Löschpapier
Mich schwindelt vor Farbe und Duft doch die Bienen
Bleiben im Stock selbst die aufgesperrten Mäuler der Nesselblüten
Ziehn sie nicht her, vielleicht ist die Königin
Heute morgen plötzlich gestorben die Eichen
    
      
    Brüten Gallwespen, dicke rosa Kugeln platzen wohl bald
  
Ich würde die Bäume gerne erleichtern doch der Äpfelchen
Sind es zu viel sie erreichen mühlos die Kronen auch faßt
Klebkraut mich an, ich unterscheide Simsen und Seggen so viel Natur
    
      
    Die Vögel und schwarzen Schnecken dazu überall Gras Gras das
  
Die Füße mir feuchtet fettgrün es verschwendet sich
Noch auf dem Schuttberg verbirgt es Glas wächst
in aufgebrochne Matratzen ich rette mich
Auf den künstlichen Schlackenweg und werde wohl bald
In meine Betonstadt zurückgehen hier ist man nicht auf der Welt
Der Frühling in seiner maßlosen Gier macht nicht halt, verstopft
Augen und Ohren mit Gras die Zeitungen sind leer
Eh sie hier ankommen der Wald hat all seine Blätter und weiß
Nichts vom Feuer