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            LÖNS, Hermann
            
               
            
               Wilde Dirne, küsse mich, Laß an deinem Mund mich hangen, Heut, nur heute liebe mich, Küsse mich, du fremde Dirne, Deine Lippen, liebesrot, Press' mir auf die heiße Stirne – Heute rot und morgen tot. 
            
               Feldmohnblüten, schnell verweht, Morgen ist im Sturm zerfahren, Was noch heute prangend steht, Küsse mich und sing mir Lieder, Lieder heiß und brennend rot, Küss' mich immer, immer wieder – Heute rot und morgen tot. 
            
               Kranke Brust und Jubelton, In den Augen Todesbangen, Auf den Lippen Spott und Hohn, Küsse mich bis zum Ersticken, Küss' die blasse Wang mir rot, Heute Jubel und Entzücken – Heute rot und morgen tot. 
            
               Vollen Busens heißer Schlag, Schau, da fall'n des Mohnes Flocken, Blühten einen kurzen Tag, Laß an meine Brust dich pressen, Küss' mit Lippen, liebesrot, Küsse mich bis zum Vergessen – 
            Heute rot und morgen tot.
            
               
            
               Wo der Wind weht den Staub, Blau ist ihre Blüte, Aber grau ist ihr Laub. 
            
               Hielt auf meine Hand, Du hast Deine Augen Von mir abgewandt. 
            
               Da wehet der Wind, Deine Augen, die blauen, Vom Staub sind sie blind. 
            
               Daß ich komme daher, Wegewarte, Wegewarte, 
            Du blühst ja nicht mehr.
            
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      Der schönste Platz 
      
        
      
        
      Wo die Tauben fliegen, 
      
        
      Wohnt mein Schatz und der ist schön; 
      
        
      Wo die weißen Tauben fliegen, 
      
        
      Muß
       ich immer wieder gehen. 
      
        
      
        
      Wo die roten Rosen blühen, 
      
        
      Hab’ ich sie zuerst 
      geküßt
      ; 
      
        
      Wo die roten Rosen blühen, 
      
        
      Meine liebste Weide ist. 
      
        
      
        
      Wo die grünen Büsche stehen, 
      
        
      Singt ein Vogel dies und das; 
      
        
      Wo die grünen Büsche stehen, 
      
        
      Ist zerdrückt das junge Gras. 
      
        
      
        
      Wo die klaren Quellen rauschen, 
      
        
      Liegt ein 
      Rosenkränzelein
      ; 
      
        
      Wo die klaren Quellen rauschen, 
      
        
      Ward das schönste Mädchen mein.
    
    
      
    
      
    
      
    Abendsprache
    
      
        
      
        
      Und geht es zu Ende, so laßt mich allein
      
        
      mit mir selber auf einsamer Heide sein;
      
        
      will nichts mehr hören und nichts mehr seh'n,
      
        
      will wie ein totes Getier vergeh'n.
      
        
      
        
      Das graue Heidemoos mein Sterbebett sei,
      
        
      Die Krähe singt mir die Litanei.
      
        
      Die Totenglocke läutet der Sturm,
      
        
      begraben werden mich Käfer und Wurm.
      
        
      
        
      Auf meinem Grabe soll stehen kein Stein,
      
        
      kein Hügel soll dorten geschüttet sein;
      
        
      kein Kranz soll liegen, da wo ich starb,
      
        
      keine Träne fallen, wo ich verdarb.
      
        
      
        
      Will nichts mehr hören und nichts mehr sehn,
      
        
      wie ein totes Getier, so will ich vergeh'n;
      
        
      und darum kein Hügel und deshalb kein Stein:
      
        
      spurlos will ich vergangen sein.
    
    
      
    
      
    
      
    
      Am Brunnen
      
        
      
        
      Was sehen denn die Leute
      
        
      Mich bloß so eigen an?
      
        
      Als 
      wüßten
       sie es alle,
      
        
      Was keiner wissen kann.
      
        
      
        
      Ich glaube gar, sie 
      lesens
      
        
      Mir ab von dem Gesicht,
      
        
      Als ob sie's alle wissen,
      
        
      Und das dürfen sie doch nicht.
      
        
      
        
      Das Wasser in dem Brunnen,
      
        
      Das sagt es mir sogleich;
      
        
      Meine Augen die sind trübe,
      
        
      Meine Wangen die sind bleich.
      
        
      
        
      Das Wasser in dem Brunnen,
      
        
      Verschweigt wohl, was es weiß;
      
        
      So kühl ist ja das Wasser,
      
        
      Die Reue, die ist heiß.
      
        
      
        
      Die Reue, ja die Reue,
      
        
      Die brennet gar zu sehr;
      
        
      Das tiefe 
      tiefe
       Wasser
      
        
      Das gibt nichts wieder her.
    
    
      
    
      
    
      
    An die Spröde
    
      
    
      
    Gertrude, weiße Blume,
  
Was bist du so stolz;
Es wächst kein grünes Blättlein
    Am trockenen Holz.
    
      
    
      
    Die Nachtigall singt nicht
  
In Schnee und in Eis;
Die Liebe schmeckt am schönsten,
    Wenn niemand es weiß.
    
      
    
      
    Gertrude, weiße Blume,
  
Der Flieder, der blüht;
Die Nachtigall im Walde,
    Die singet ihr Lied.
    
      
    
      
    Sie singet von Liebe,
  
Sie singet von Glück;
Die Zeit, die verpaßt ist,
    Die kommt nicht zurück.
    
      
    
      
    Gertrude, weiße Blume,
  
Und kurz ist der Mai;
Was willst du noch warten,
Bald ist es vorbei.