WEISSGLAS, Immanuel
    
      
    
      
    
      
    Wegesschlaf
  
    
      
    Ich sollte, sagt mir das Gestirn,
  
mein Kind im Schlummer nicht verwirrn.
Und will es auf die Augen küssen
    wir werden beide wandern müssen.
    
      
    
      
    
      
    Nil-Sein
  
    
      
    Im Lande Licht, im Lande Leer,
  
Einödegebunden,
Liegen sie verstreut umher,
Die Sterne, die Stunden.
    
      
    Cheopsfriede,
  
Nilblaues Sein,
Zeitpyramide
Aus Sonne und Stein.
    
      
    
      
    Er
    
      
    
      
    Wir heben Gräber in die Luft und siedeln
  
Mit Weib und Kind an dem gebotnen Ort.
Wir schaufeln fleißig, und die andern fiedeln,
Man schafft ein Grab und fährt im Tanzen fort.
    
      
    Er will, daß über diese Därme dreister
  
Der Bogen strenge wie sein Antlitz streicht:
Spielt sanft vom Tod, er ist ein deutscher Meister,
Der durch die Lande als ein Nebel schleicht.
    
      
    Und wenn die Dämmrung blutig quillt am Abend,
  
Öffn‘ ich nachzehrend den verbissnen Mund,
Ein Haus für alle in die Lüfte grabend:
Breit wie der Sarg, schmal wie die Todesstund.
    
      
    Er spielt im Haus mit Schlangen, dräut und dichtet,
  
In Deutschland dämmert es wie Gretchens Haar.
Das Grab in Wolken wird nicht eng gerichtet:
Da weit der Tod ein deutscher Meister war.
    
      
    
      
    Massengrabschrift
  
    
      
    Wer lebte hier? Wer litt? Wer wird nach Jahren
  
Den Namen und die Herkunft treu bewahren?
Die eins gewesen, sind hier nicht geschieden,
Die ein Leid litten, ruhn in einem Frieden.
Und unser Sarg ist, Tod, dein Himmelsmaß:
Dies ganze weite Feld voll Wind und Gras.