KROLOW, Karl
    
      
    
      
    
      
    Bitter
  
    
      
    Zufrieden macht man sich
  
mit dem Trinkgeld davon.
Du siehst die lederne Hand,
— sie macht Kasse —
den Handschuh, darunter
die Krankheit. Ansteckend
ist das Leben. Du zahlst es
soeben mit Banknoten aus.
Vorteilhaft dagegen Voraussicht
und bitter. Du hast
am Körper die Flecken.
Das Jucken bleibt dir nachts —
Satyriasis statt
Schlaf in Armen,
die erdrücken.
Blau im Gesicht
wirst du sein:
so kann man verenden
oder auf eine andere Weise —
Kniekehle, Handrücken
noch frisch verfärbt.
Lebenslang rochst du nach Angst,
bitter. Die Haut,
die sich schält, riecht so.
Du hältst dich zu lange
bei dem auf, was unerbittlich
    übriggeblieben.
    
      
    
      
    
      
    Der Dichter spricht
  
    
      
    Wunderliches Leben, das ich sage,
  
Unaufhörlich am Verstehen vorbei!
Wuchs es nicht wie Stille hinterm Schrei,
    Dessen Schall ich noch im Ohre trage?
    
      
    
      
    Raubt ichs nicht dem listgen Vogelmund,
  
Ehe dunkel ich das Wort gebrauchte?
Das Geheimnis, das den Kürbis bauchte,
Machte mir die laute Elster kund.
    
      
    Jedes blühn ist tief mit mir verständigt,
  
Und ich spür den Wink im Ziegelreste.
Noch die Alge, die im Stein gepresste,
    Ist voll Dasein und bleibt unbeendigt.
    
      
    
      
    Mildes Nass, das mir den Nacken kühlt,
  
Ward von mir im stummen Wind erlitten;
Und der Stern, aus blauer Nacht geschnitten,
Ist im Niederfall von mir gefühlt.
    
      
    Luft, die trauert! Und ich muss sie trinken,
  
Bis die Augen sich mit Schwärze sammeln.
Hell im Grass erlöst mit Grillenstammeln,
Und ich kann in sanfte Dämmrung sinken
    
      
    Unbegriffner Lehm, dem Geist entfuhr,
  
Der sich zögernd mischte mit den Dingen:
Flüchtig wie die stille Ätherspur,
Wenn im Fluss die grossen Barsche springen!
    
      
    
      
    Es war die Nacht
  
    
      
    Es war die Nacht, in der sie nicht mehr lachten,
  
die Nacht, in der sie miteinander sprachen
wie vor dem Abschied und in der sie dachten,
dass sie sich heimlich aus dem Staube machten,
die Nacht, in der sie schweigend miteinander brachen.
    
      
    Es war die Nacht, in der nichts übrig blieb
  
von Liebe und von allen Liebesstimmen
im Laub und in der Luft. Wie durch ein Sieb
fielen die Gefühle: niemandem mehr lieb
und nur noch Schemen, die in der Nacht verschwimmen.
    
      
    Es war die Nacht, in der man sagt: gestehe,
  
Was mit uns war. Ist es zu fassen?
Was bleibt uns künftig von der heißen Nähe
der Körper? Es wird kalt. Ich sehe,
    wie über Nacht wir voneinander lassen.
    
      
    
      
    
      
    Das Paar
  
    
      
    So sind sie aus der Nächte Haft gestiegen.
  
Halten verschwiegen
Die Augen hin.
Sie fühlen noch die Sternenflut im Haare
Wie Spinnwebschleier, alles Wunderbare
Um Mund und Kinn.
    
      
    Der Morgen treibt mit schmaler Roggenspindel
  
Den süßen Schwindel
Aus ihrem Blut.
Und zarter Schlaf, der sie im Laub gepeinigt,
Hat sich im frühen Nesselbiß gereinigt,
Der wehe tut.
    
      
    Das Bündel Schmerzen , die vergrabene Trauer,
  
Wird nun genauer
Im kalten Wehn.
Der grüne Wind schmeckt ihrem Gaumen bitter
Wie Pflaumenhaut, im starken Taggezitter,
Drin sie sich sehn.
    
      
    Sie rühren langsam sich in fremden Gliedern,
  
Ohne Erwidern
Gestriemt vom Licht.
Und während Seufzer sich zum Himmel kehren,
Muß das verstummte Herz der Asche wehren
Und kennt sich nicht.
    
      
    
      
    Das tötliche blau
  
    
      
    Eisenhut, blaue Blume
  
des Spätjahrs, Sturmhaube,
die nicht vor November schützt,
tödliches Akonit, Pfeilgift—
es riecht eine kleine Menge.
Gift für das Nessushemd:
Herakles ging an ihm
elend zugrunde. Im Garten
das letzte romantische Verderben.
Leonotis und Dahlie
gingen voraus in den Gartentod,
wußten nichts vom Aconitin—
fünf Milligramm die tödliche Dosis.
November will nichts davon wissen,
bringt es um mit anderen Farben:
das strenge Blau, das der Nacht erliegt,
den unwiderruflichen Frösten.