SCHUBART, Christian Daniel Friedrich
    
      
    
      
    
      
    Der Bettelsoldat
  
    
      
    Mit jammervollem Blicke,
  
Von tausend Sorgen schwer,
Hink ich an meiner Krücke
In weiter Welt umher.
    
      
    Gott weiß, hab viel gelitten,
  
Ich hab so manchen Kampf
In mancher Schlacht gestritten,
Gehüllt in Pulverdampf.
    
      
    Sah manchen Kameraden
  
An meiner Seite tot
Und mußt im Blute waten,
Wenn es mein Herr gebot.
    
      
    Mir drohten oft Geschütze
  
Den fürchterlichsten Tod,
Oft trank ich aus der Pfütze,
Oft aß ich schimmlig Brot.
    
      
    Ich stand in Sturm und Regen
  
In grauser Mitternacht,
Bei Blitz und Donnerschlägen,
Oft einsam auf der Wacht.
    
      
    Und nun nach mancher Schonung,
  
Noch fern von meinem Grab,
Empfang ich die Belohnung -
Mit diesem Bettelstab.
    
      
    Bedeckt mit dreizehn Wunden,
  
An meine Krück gelehnt,
Hab ich in manchen Stunden
Mich nach dem Tod gesehnt.
    
      
    Ich bettle vor den Türen,
  
Ich armer lahmer Mann!
Doch ach! wen kann ich rühren?
Wer nimmt sich meiner an?
    
      
     
  
War einst ein braver Krieger,
Sang manch Soldatenlied
Im Reihen froher Sieger;
Nun bin ich Invalid.
    
      
    Ihr Söhne, bei der Krücke,
  
An der mein Leib sich beugt,
Bei diesem Tränenblicke,
Der sich zum Grabe neigt;
    
      
    Beschwör ich euch - ihr Söhne!
  
O fliht der Trommel Ton!
Und Kriegstrommetentöne,
Sonst kriegt ihr meinen Lohn.
    
      
    
      
    Die Fürstengruft
    
      
    
      
    Da liegen sie, die stolzen Fürstentrümmer,
    
      
    Ehmals die Götzen ihrer Welt!
    
      
    Da liegen sie, vom fürchterlichen Schimmer
    
      
    Des blassen Tags erhellt!
    
      
    
      
    Die alten Särge leuchten in der dunklen
    
      
    Verwesungsgruft, wie faules Holz;
    
      
    Wie matt die großen Silberschilde funkeln,
    
      
    Der Fürsten letzter Stolz!
    
      
    
      
    Entsetzen packt den Wandrer hier am Haare,
    
      
    Geußt Schauer über seine Haut,
    
      
    Wo Eitelkeit, gelehnt an eine Bahre,
    
      
    Aus hohlen Augen schaut.
    
      
    
      
    Wie fürchterlich ist hier des Nachhalls Stimme,
    
      
    Ein Zehentritt stört seine Ruh'!
    
      
    Kein Wetter Gottes spricht mit lautrem Grimme:
    
      
    O Mensch, wie klein bist du!
    
      
    
      
    Denn ach! hier liegt der edle Fürst, der gute,
    
      
    Zum Völkersegen einst gesandt,
    
      
    Wie der, den Gott zur Nationenruthe
    
      
    Im Zorn zusammenband.
    
      
    
      
    An ihren Urnen weinen Marmorgeister,
    
      
    Doch kalte Thränen nur, von Stein,
    
      
    Und lachend grub vielleicht ein welscher Meister,
    
      
    Sie einst dem Marmor ein.
    
      
    
      
    Da liegen Schädel mit verloschnen Blicken,
    
      
    Die ehmals hoch herabgedroht,
    
      
    Der Menschheit Schrecken! denn an ihrem Nicken
    
      
    Hing Leben oder Tod.
    
      
    
      
    Nun ist die Hand herabgefault zum Knochen,
    
      
    Die oft mit kaltem Federzug
    
      
    Den Weisen, der am Thron zu laut gesprochen,
    
      
    In harte Fesseln schlug.
    
      
    
      
    Zum Todtenbein ist nun die Brust geworden,
    
      
    Einst eingehüllt in Goldgewand,
    
      
    Daran ein Stern und ein entweihter Orden
    
      
    Wie zween Kometen stand.
    
      
    
      
    Vertrocknet und verschrumpft sind die Kanäle,
    
      
    Drin geiles Blut wie Feuer floß,
    
      
    Das schäumend Gift der Unschuld in die Seele,
    
      
    Wie in den Körper goß.
    
      
    
      
    Sprecht Höflinge, mit Ehrfurcht auf der Lippe,
    
      
    Nun Schmeichelei'n ins taube Ohr!
    
      
    Beräuchert das durchlauchtige Gerippe
    
      
    Mit Weihrauch, wie zuvor!
    
      
    
      
    Er steht nicht auf, euch Beifall zuzulächeln,
    
      
    Und wiehert keine Zoten mehr,
    
      
    Damit geschminkte Zofen ihn befächeln,
    
      
    Schamlos und geil, wie er.
    
      
    
      
    Sie liegen nun, den eiser'n Schlaf zu schlafen,
    
      
    Die Menschengeißeln, unbetraurt!
    
      
    Im Felsengrab, verächtlicher als Sklaven,
    
      
    In Kerker eingemaurt.
    
      
    
      
    Sie, die im eh'rnen Busen niemals fühlten
    
      
    Die Schrecken der Religion
    
      
    Und gottgeschaffne, beßre Menschen hielten
    
      
    Für Vieh, bestimmt zur Frohn;
    
      
    
      
    Die das Gewissen, jenem mächt'gen Kläger,
    
      
    Der alle Schulden niederschreibt,
    
      
    Durch Trommelschlag, durch welsche Trillerschläger
    
      
    Und Jagdlärm übertäubt;
    
      
    
      
    Die Hunde nur und Pferd' und fremde Dirnen
    
      
    Mit Gnade lohnten, und Genie
    
      
    Und Weisheit darben ließen; denn das Zürnen
    
      
    Der Geister schreckte sie; –
    
      
    
      
    Die liegen nun in dieser Schauergrotte,
    
      
    Mit Staub und Würmern zugedeckt,
    
      
    So stumm! So ruhmlos! Noch von keinem Gotte
    
      
    Ins Leben aufgeweckt.
    
      
    
      
    Weckt sie nur nicht mit eurem bangen Aechzen,
    
      
    Ihr Schaaren, die sie arm gemacht,
    
      
    Verscheucht die Raben, daß von ihrem Krächzen
    
      
    Kein Wüthrich hier erwacht!£
    
      
    
      
    Hier klatsche nicht des armen Landmanns Peitsche,
    
      
    Die Nachts das Wild vom Acker scheucht!
    
      
    An diesem Gitter weile nicht der Deutsche,
    
      
    Der siech vorüberkeucht!
    
      
    
      
    Hier heule nicht der bleiche Waisenknabe,
    
      
    Dem ein Tyrann den Vater nahm;
    
      
    Nie fluche hier der Krüppel an dem Stabe,
    
      
    Von fremdem Solde lahm!
    
      
    
      
    Damit die Quäler nicht zu früh erwachen;
    
      
    Seid menschlicher, erweckt sie nicht.
    
      
    Ha! früh genug wird über ihnen krachen
    
      
    Der Donner am Gericht,
    
      
    
      
    Wo Todesengel nach Tyrannen greifen,
    
      
    Wenn sie im Grimm der Richter weckt,
    
      
    Und ihre Gräul zu einem Berge häufen,
    
      
    Der flammend sie bedeckt.
    
      
    
      
    Ihr aber, bessre Fürsten, schlummert süße
    
      
    Im Nachtgewölbe dieser Gruft!
    
      
    Schon wandelt euer Geist im Paradiese,
    
      
    Gehüllt in Blüthenduft.
    
      
    
      
    Jauchzt nur entgegen jenem großen Tage,
    
      
    Der aller Fürsten Thaten wiegt;
    
      
    Wie Sternenklang töne euch des Richters Wage,
    
      
    Drauf eure Tugend liegt.
    
      
    
      
    Ach, unterm Lispel eurer frohen Brüder –
    
      
    Ihr habt sie satt und froh gemacht –
    
      
    Wird eure volle Schale sinken nieder,
    
      
    Wenn ihr zum Lohn erwacht.
    
      
    
      
    Wie wird's euch sein, wenn ihr vom Sonnenthrone
    
      
    Des Richters Stimme wandeln hört;
    
      
    »Ihr Brüder, nehmt auf ewig hin die Krone,
    
      
    Ihr seid zu herrschen werth.«
    
      
    
      
    
      
    Frage
  
    
      
    Warum ist mir das Morgenroth
  
So blutgestreift? die Welt so todt?
Warum strahlt mir das Sonnelicht
Oft so beschwerlich ins Gesicht?
Und warum weint die Wolke mir?
Was traurt der Linde Blüthenzier?
Die Lüfte wimmern: jedes Bild
Ist mir in Trauerflor gehüllt!
Der Thau, beglänzt vom Sonnenschein,
Däucht mir, vom Schnmerz geweint zu seyn,
Die Wohlgerüche in der Luft
Umschwimmen mich wie Gräberduft;
Die lieben Blümlein allzumal
Sind mir versengt vom Sonnenstrahl.
Der Vogel aus der Luft herab
Tönt mir, wie Sterbgesang am Grab;
Und alles, alles um mich her
Scheint kummervoll und thräneschwer.
Die Farben grün und weiß und roth,
Sind abgestanden, schwarz und todt.
Die Menschen. derenTrost ich such',
Sind Geister, die im Leichentuch
Mich ansehn bleich, und furchtbarstumm.
Du guter Gott! warum, warum?
Hast du der ganzen Erde Pracht
Zu einem Todtenschlund gemacht? –
Ach nein! die Welt ist noch, wie vor,
Nur dem, der, Freiheit! dich verlor
Ist diese Welt, so schön gemacht,
Ein Todtenschlund voll Fluch und Nacht
Wo alles heult, den Schädel schlägt,
Verzweiflung brüllt, – und Ketten trägt!
O Gott im Himmel mach mich frei
Aus dieser Höllentäuscherei –.
    
      
    
      
    Die Forelle
    
      
    
      
    In einem Bächlein helle,
    
      
    Da schoß in froher Eil
    
      
    Die launische Forelle
    
      
    Vorüber, wie ein Pfeil:
    
      
    Ich stand an dem Gestade
    
      
    Und sah in süßer Ruh
    
      
    Des muntern Fischleins
    
      [
    
     Bade
    
      
    Im klaren Bächlein zu.
    
      
    
      
    Ein Fischer mit der Ruthe
    
      
    Wol an dem Ufer stand,
    
      
    Und sah’s mit kaltem Blute,
    
      
    Wie sich das Fischlein wand.
    
      
    So lang dem Wasser Helle,
    
      
    So dacht’ ich, nicht gebricht,
    
      
    So fängt er die Forelle
    
      
    Mit seiner Angel nicht.
    
      
    
      
    Doch endlich ward dem Diebe
    
      
    Die Zeit zu lang; er macht
    
      
    Das Bächlein tückisch trübe:
    
      
    Und eh’ ich es gedacht,
    
      
    So zuckte seine Ruthe;
    
      
    Das Fischlein zappelt dran;
    
      
    Und ich, mit regem Blute,
    
      
    Sah die Betrogne an.
    
      
    
      
    Ihr, die ihr noch am Quelle
    
      
    Der sichern Jugend weilt,
    
      
    Denkt doch an die Forelle;
    
      
    Seht ihr Gefahr, so eilt!
    
      
    Meist fehlt ihr nur aus Mangel
    
      
    Der Klugheit; Mädchen, seht
    
      
    Verführer mit der Angel –
    
      
    Sonst blutet ihr zu spät.