SÖLLNER, Werner
    
      
    
      
    Was bleibt
    
      
    
      
    Das Haus der Welt ist schlecht gebaut,
    
      
    ich sitze krumm und schief darin.
    
      
    Ach Sprache, meine stumme Braut, 
    
      
    sag mir, wo ich zuhause bin.
  
    
      
    Hier steht ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch, 
    
      
    da ist noch Brot und dort ist Wein.
    
      
    Was bleibt? Versteinertes Gemisch
    
      
    aus Sätzen vom Lebendigsein.
  
    
      
    Der Sinn der Wörter ist die Haut,
    
      
    die langsam auseinanderfällt. 
    
      
    Ach Sprache, meine stumme Braut - 
    
      
    das Aug weint, was die Silbe hält.
  
    
      
    
      
    Nie wieder
  
    
      
    Wo ist meine braune Haut geblieben?
  
Und das Wasser, das mich trug?
Und ich hatte keinen Grund zum Lieben
und das war mir Grund genug.
    
      
    Ach, ich hab mich viel zu oft gewaschen
  
und für Engel feingemacht.
Jetzt bin ich in Gottes Hosentaschen
ganz erschrocken aufgewacht.
    
      
    Ja, ich Esel hab geheult vor Trauer
  
und hab ohne Grund gehofft.
Und das Ijsselmeer, die nasse Mauer,
das nie wieder, es bedeutete noch oft.
    
      
    
      
    Liebende
  
    
      
    Sie wollen nichts als sein. Nicht mehr. Das Dach
  
ist ihnen Dach, die Last noch Lust. Noch ganz
die Silbe Wort, geteilt. Ein naher Glanz
macht sie für uns zu Fremden. Sie sind wach
    
      
    und schlafen ruhig. Sie leben einen Traum,
  
als gäbe es fürs Leben keine Frist,
als wäre tot, was nur vergangen ist.
Sie tragen nichts; nur jenen einen Raum,
    
      
    in dem der andre trägt. Allein zu zweit,
  
sind sie im Einen. Was hat die Endlichkeit
zu tun mit ihrer Zeit? Und welche Welt
    
      
    ist so in ihrem Sein wie jener Schlaf,
  
der jedem sagt, was je den andern traf?
Sie liegen nah, sind ganz auf sich gestellt.